Nepal beendet COVID-19-Lockdown, Termin für Schulöffnung fraglich

Nepal blickt nach vorn und will nach vier Monaten Stillstand im Land ein wenig zur Normalität zurückkehren. Die Mitte März verhängten Beschränkungen der landesweiten COVID-19-Ausgangssperre wurden zum 22. Juli beendet. Öffentliche Ämter und Institutionen sind wieder geöffnet, privater wie öffentlicher Verkehr ist grundsätzlich wieder erlaubt [zumindest in Kathmandu] und alle Geschäfte dürfen wieder öffnen, heißt es in einer Meldung der Nachrichtenagentur AP. Die Nepalesische Regierung begründete ihre Entscheidung seinerzeit damit, dass die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus griffen und die Anzahl der registrierten Neufälle gesunken wäre [Stand 22. Juli: 150]. Letztlich will die Regierung den Zusammenbruch der Wirtschaft in Nepal vermeiden und keine politische Instabilität riskieren.

Das nationale Epidemiology and Disease Control Department (EDCD), das landesweit eine führende Rolle bei der COVID-19-Kontrolle hat, wurde in die Entscheidung der Regierung jedoch nicht einbezogen und hätte dieser auch nicht zugestimmt, so die EDCD nach einem Bericht der Nepali Times vom 23. Juli. Das Beenden des Lockdowns heißt nicht, dass die Pandemie beendet ist, lautet ein Kommentar der gleichen nepalesischen Wochenzeitung vom 28. Juli, der die Bevölkerung zu weniger Kontakt, Abstand halten und zum konsequenten Aufsetzen von Masken auffordert, zudem die Ausweitung von Tests, Quarantänemaßnahmen und die Nachverfolgung von positiven Fällen anmahnt.
Die Skepsis der Kritiker, die das Aufheben der Beschränkungen als verfrüht betrachten, scheint berechtigt zu sein. Die Infektionsrate ist seit Ende der Ausgangsbeschränkungen wieder gestiegen. Nach 17.994 bestätigten Corona-Fällen, 150 Neufällen und 40 Toten am 22. Juli weist die offizielle Corona-Statistik der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Stand 5. August eine Zunahme der Neufälle auf 259 aus, zudem 21.009 Fälle insgesamt und 58 Tote. Im Dolakha-Destrikt, zu der auch die Region Jiri gehört, die Heimat der Future-Citizen-Kinder, gibt es acht bestätigte Fälle, darunter einen Todesfall.

Die Bildungsanstrengungen für Kinder aus den ärmsten Ländern der Welt werden durch den Coronavirus zurückgeworfen

Laut Unesco konnten Ende März weltweit rund 1,5 Milliarden Kinder und Jugendliche nicht mehr zur Schule gehen, nachdem ihre Bildungseinrichtungen geschlossen worden waren, um den Coronavirus einzudämmen. Die bildungstechnischen Folgen dieser Maßnahme sind je nach Wohlstand der Länder unterschiedlich stark ausgeprägt. Während 86 % der Grundschüler in den ärmsten Ländern der Welt ohne Präsenzunterricht quasi aus der Schule herausgefallen sind, weil sie keinen Zugang zum internetbasierten Lernen haben, sind es den reicheren Ländern 20 %, schätzt das Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP). Die Krise hat ans Licht gebracht, wie groß der Unterschied ist zwischen denen, die Internet haben und denen, die es nicht haben, sagt auch Unicef. In der Corona-Krise wurde vieles von dem, was in den letzten Jahren in Nepal in der Schul- und Bildungsarbeit erreicht worden ist, zunichte gemacht. Auch wenn die Schulen demnächst wieder öffnen sollten, einige Kinder und Jugendliche werden weiter außen vor bleiben und einige werden nie in die Schulen zurückkehren, so das Kinderhilfswerk weiter.

Die Future-Citizen-Kinder warten darauf, dass die Schulen wieder öffnen

Nachdem die Schulen in Nepal trotz der veröffentlichten Lockerungsmaßnahmen bis auf Weiteres geschlossen bleiben sollen, heißt es für nepalesische Kinder weiterhin: abwarten. Vor September werden die Schulen wohl nicht wieder öffnen. Inzwischen wird in Nepal Unterricht über UKW-Radio, Fernsehen und teils auch online angeboten, eben dort, wo Internet verfügbar ist. Wichtig wäre, dass es bald ein Konzept für die landesweite Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an den Schulen gibt. Für die meisten Schüler in den ländlichen Gegenden Nepals ist Onlineunterricht/ Homeschooling doch eher die Ausnahme.

In Coronazeiten sind die Future-Citizen-Kinder im ländlichen Jiri grundsätzlich sicher aufgehoben und auch nicht völlig von allem abgeschnitten. Bibi Funyal schaut, dass die Kinder weiterhin lernen, wo und wann immer es nur geht. Von zwei extra organisierten Lehrkräften aus der Umgebung bekommen die Kinder Unterricht in Mathe, Englisch und Naturwissenschaften, sie können ihre Schulbücher zum Selbststudium nutzen und im Juni gab es praxisorientierten Sachkundeunterricht beim Anpflanzen von Reisfeldern. „Learning by doing“ sozusagen, damit die Kinder die Traditionen der landwirtschaftlich orientierten Heimatregion Jiri nicht vergessen.

Wann die Future-Citizen-Kinder wieder alle zusammen im Kinderhaus in Kathmandu ihren Alltag leben und dort zur Schule gehen können, wissen wir nicht. Bibi Funyal hofft auf Anfang September. Vor dem 17. August fahren keine Fernbusse aus der Provinz in die nepalesische Hauptstadt - trotz aufgehobener allgemeiner Ausgangsperre. Distriktübergreifende Fahrten sind derzeit weiterhin untersagt. Von daher bleiben die Kinder vorerst in der Heimatregion Jiri.

Quellen und weiterführende Informationen

The Associated Press, 22.07.2020
The Latest: Nepal ends 120 days of coronavirus lockdown
https://apnews-dev.appspot.com/14248e2b887a176b4d8035c0ff058689

World Health Organization (WHO), 05.08.2020
https://covid19.who.int/region/searo/country/np

Nepali Times, 21.07.2020
https://www.nepalitimes.com/latest/nepal-ends-covid-19-lockdown/

Nepali Times, 23.07.2020
https://www.nepalitimes.com/latest/kathmandu-back-to-old-normal/

Nepali Times, 26.07.2020
https://www.nepalitimes.com/here-now/a-decade-of-work-lost-in-4-months/

Nepali Times, 28.07.2020
https://www.nepalitimes.com/editorial/lockdown-may-be-over-but-pandemic-is-not/

Future Citizen, Facebook, Posts vom 14.06./ 15.06./ 25.06.2020
https://de-de.facebook.com/Future-Citizen-Nepal-154629958051400/

Statista, 27.03.2020
Wegen Corona können 1,5 Mrd. Schüler nicht zur Schule gehen
https://de.statista.com/infografik/21260/weltweite-schulschliessungen-wegen-des-coronavirus/

United Nations Development Programme, 20. Mai 2020
https://www.undp.org/content/undp/en/home/news-centre/news/2020/COVID19_Human_development_on_course_to_decline_for_the_first_time_since_1990.html

Unicef
https://www.unicef.org/eap/stories/covid-19-threatens-reverse-education-gains

Auswärtiges Amt, Nepal: Reise- und Sicherheitshinweise, Stand 06.08.2020 (unverändert seit 04.08.2020)
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nepal-node/nepalsicherheit/221216

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